Das Nationale Naturmonument Grünes Band Hessen

Einst war hier das östliche Ende der Welt. Zumindest der westlichen Welt. Denn mit einer stark gesicherten Grenze und einer sich daran anschließenden fünf Kilometer breiten, genau kontrollierten Sperrzone schottete sich die DDR von der Bundesrepublik Deutschland ab. Nirgendwo an dem fast 10.000 km umfassenden Eisernen Vorhang, der von der Barentssee bis ans Schwarze Meer die Staaten des Warschauer Paktes von denen der NATO abgrenzte, war die Grenze so unüberwindbar wie hier. Bis zum Herbst 1989, als auch hier Grenzübergänge entstanden, Zäune abgebaut wurden und bald Deutschlands dienstältestes Grenzmuseum im Schifflersgrund eröffnete. Nach und nach holt sich seither die Natur die Flächen zurück, die als Deutschlands größter Biotopverbund geschützt sind. Anderswo selten gewordene Tier-, Pilz- und Pflanzenarten haben hier ein zu Hause gefunden und können sich ungestört vermehren. In vier Bundesländern ist das Grüne Band als Nationales Naturmonument ausgewiesen und unter besonderen Schutz gestellt. So auch hier in Hessen an der Grenze zu Thüringen. Inzwischen liegt das Ende der Welt ganz zentral in der Mitte Deutschlands und ist wie hier, im Geo-Naturpark Frau-Holle-Land, aus allen Himmelsrichtungen gut zu erreichen.

Vom Todesstreifen zur Lebenslinie

Ab 1952 baute die DDR ihre Grenze zur BRD nicht nur in Berlin, sondern an der gesamten westlichen Landesgrenze die Grenzanlagen aus. Wurden am Anfang hierfür Flächen gerodet oder trocken gelegt, um einen Stacheldrahtzaun zu ziehen, wurden ab den 1970er Jahren Streckmetallzäune und Grenztürme errichtet, Selbstschussanlagen installiert und ein breiter Streifen vermint und mit Unkrautvernichter chemisch freigehalten. Der bis heute vorhandene Kollonnenweg verlief zwischen 50 und 200 Meter Entfernung weitgehend parallel zum Grenzzaun und macht so weiterhin den Grenzverlauf in der Landschaft sichtbar.

Auch für viele Tiere endete der Weg am Zaun, bis für einige Arten an manchen Stellen Durchlässe geschaffen wurden. Für andere Tierarten wurde so der Genpool geteilt.
Im nahezu menschenleeren, östlich der eigentlichen Grenze vorgelagerten durchschnittlich 500 Meter breiten Raum entstand so eine erzwungene Ruhe, in der sich Tiere und Pflanzen ansiedeln und vermehren konnten. Dort hat beispielsweise der im mitteldeutschen Raum ausgestorbene Wanderfalke neue Brutgebiete gefunden. Westlich der Grenzlinie wurden die Felder und Wälder bis an den Grenzzaun heran bewirtschaftet. Das Zonenrandgebiet blieb jedoch eher dünn besiedelt und stellte keine attraktive Lage für die in Deutschland wachsende Industrie dar.

Dem wachsenden Umweltbewusstsein ab den 1970er Jahre ist es zu verdanken, dass sich Naturschützer um Naturschutzgebiete auf der westlichen Seite der Grenze kümmerten und hierfür auch in Kontakt zu Naturschützern in der DDR standen. Obhwohl während der Zeit der Teilung an länderübergreifende Naturschutzgebiete nicht zu denken war, so wurden doch die Grundlagen gelegt, um zügig nach der Wiedervereinigung solche Flächen wie den Rhäden zwischen Obersuhl und Wildeck unter Schutz zu stellen. Bereits im Dezember 1990 gab es eine Resolution zur Gründung eines Grünen Bands entlang der bisherigen innerdeutschen Grenze. Nach und nach wurden und werden immer mehr Teile des Grünen Bands unter Naturschutz gestellt. Daraus hat sich Deutschlands größter Biotopverbund entwickelt. 2004 entstand der paneuropäische "Green Belt Europe" entlang des gesamten früheren Eisernen Vorhangs. Seit 2018 haben Thüringen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg ihren Anteil am Grünen Band als Nationales Naturmonument unter besonderen Schutz gestellt. Als erstes westliches Bundesland folgte Hessen dieser Entscheidung im Januar 2023. 

Seither sind in Hessen 8.048 Hektar Fläche auf einer Länge von 260 Kilometern als Nationales Naturmonument ausgewiesen worden, der größte Anteil davon liegt im Geo-Naturpark Frau-Holle-Land. Ein Großteil dieser Flächen sind bereits seit Jahren als Naturschutzgebiete, Flora-Fauna-Habitate und Vogelschutzgebiete ausgewiesen. Weitere Flächen, die für den Biotopverbund unverzichtbar sind, sollen mittel- oder langfristig ebenfalls unter besonderen Schutz gestellt werden.

Typische Tier- und Pflanzenarten am Grünen Band Hessen

Zu den typischen Tierarten am Grünen Band gehören in Hessen u.a.

  • 14 Fledermausarten
  • Greifvögel und Eulen wie Uhu, Rotmilan, Wanderfalke, Wespenbussard
  • Raubkatzen wie Wildkatze und Luchs (derzeit nicht nachgewiesen)
  • Schwarzstorch, Braunkehlchen
  • Wanstschrecke

Zu den typischen Pflanzenarten am Grünen Band in Hessen gehören u.a.

  • Europäische Eibe
  • Blaugrasrasen
  • Bärentraube
  • Türkenbundlilie
  • Mehlbeere
  • Elsbeere
  • Orchideen
  • Enzian

Das Grüne Band im Geo-Naturpark Frau-Holle-Land erleben

Begeben Sie sich auf Spurensuche: Sieben zertifizierte Premiumwanderwege und mehrere Etappen des Qualitätswanderwegs Werra-Burgen-Steig Hessen liegen innerhalb des Grünen Bandes und wechseln so immer wieder von Hessen nach Thüringen. Der frühere Grenzfluss der Region, die Werra, lässt sich nicht nur per Kanu erkunden, sondern auch auf dem beliebten Werratal-Radweg. Hier verläuft auch die insgesamt fast 10.000 Kilometer lange Euro Velo-Route 13, der Iron Curtain Trail.

Die Wege führen immer wieder auch zu Relikten der früheren innerdeutschen Grenze: vorbei an früheren Grenzpfählen und Streckzaun-Resten, auf und über den Kolonnenweg, zu versteckten Stasischleusen, zu früheren Grenzbeobachtungstürmen. Der Observierungsturm am Point India im Ringgau, heute Aussichtsturm mit kleiner Ausstellung, ist der Überrest eines US-amerikanischen Militärstützpunkts am Fulda-Gap, einer als wahrscheinlichste Einmarschrichtung angenommenen Trasse eines möglichen sowjetischen Angriffs in Zeiten des Kalten Kriegs. Nicht nur der gleichnamige Premiumweg P21 sondern auch der sechs Kilometer lange Familienpfad Point India mit zahlreichen Spiel- und Rätselstationen am Weg führen hierher.

Grenzsteine säumen die Wege. Sie zeugen nicht nur vom Kalten Krieg, sondern zeigen auch frühere Grenzen an, so z. B. die sogenannten „Mainzer Köpfe“ am gleichnamigen Premiumweg P12 in Wanfried. Die vielen Burgen in der Region beschützten Grenzverläufe früherer Zeiten. Der Zwei-Burgen-Blick auf die hessische Jugendburg Ludwigstein und die thüringische Burgruine Hanstein war und ist Sinnbild von Teilung und Wiedervereinigung.

Immer wieder haben sich Künstler mit Fragen von Trennung und Einheit beschäftigt. Moderne Kunst aus Naturmaterial zeigt der Abschnitt „Wiedervereinigung“ der ARS-NATURA-Freiluftgalerie, die ein Stück die Premiumwege P15 Graburg und P6 Heldrastein begleitet. Anstelle des früheren Observationsturms auf dem Heldrastein steht heute ein beliebter Aussichtsturm.

Erinnerungskultur wird auch in den Grenzmuseen der Region gelebt: im dienstältesten Grenzmuseum Deutschlands, dem Grenzmuseum Schifflersgrund, im Grenzbahnhof für Zeitgeschichte in Herleshausen und im jederzeit zugänglichen WERRAGrenzPark nahe des früheren Grenzübergangs Wartha-Herleshausen direkt am Werratal-Radweg.

Das Naturschutzgroßprojekt

Das Naturschutzgroßprojekt

Nationale Naturmonumente in Deutschland

Nationale Naturmonumente in Deutschland

Derzeit gibt es acht Nationale Naturmomumente in Deutschland. Das Bundesamt für Naturschutz stellt diese auf seiner Internetseite vor.

Grünes Band Europa

Grünes Band Europa

Erfahren Sie mehr über den Green Belt Europe, das Grüne Band Europa, auf den Seiten der euronatur Stiftung.


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